Freitag, 27. April 2012

Deutschland und Spanien: Näher, als man denkt

Ein Bericht von Mark Dittli am Freitag 27. April 2012
Spanien ist kein notorischer Defizitsünder.

Genauso wenig wie Irland.

Das kann nicht oft genug wiederholt und betont werden. Es ist schlichtweg falsch, wenn diese beiden Länder heute in der Diskussion rund um die Eurokrise den gleichen Stempel erhalten wie Griechenland, Italien und Portugal.

Nein, die Geschichte dieser beider Länder ist differenzierter, und sie birgt einige Lehren, die sich gerade der heutige Musterknabe in Europa, Deutschland, zu Herzen nehmen sollte.

Der Reihe nach. Hier eine schöne Zusammenstellung – aufbereitet vom australischen Blog Macrobusiness – basierend auf Eurostat-Daten des Haushaltsdefizits und der Staatsverschuldung der 17 Länder der Europäischen Währungsunion für den Zeitraum von 2000 bis 2010. Zunächst die Übersicht zum Defizit (in Prozent des BIP):



















Und hier die Staatsschulden, ebenfalls in Prozent des BIP:


Graue Felder in der Grafik bedeuten, das betreffende Land hat die Maastricht-Kriterien einer Staatsverschuldung von maximal 60 Prozent des BIP beziehungsweise eines Budgetdefizits von maximal 3 Prozent des BIP erfüllt. (Das sind auch die Kriterien für den neuen Fiskalpakt, der künftig mit der Androhung von Bussen durchgesetzt werden soll.)

Sehr schön zu sehen: Griechenland hat die Kriterien nie erfüllt, Italien nahezu nie. Deutschland und Frankreich zählten in den frühen Jahren der Währungsunion fast permanent zu den Sündern. Blütenreine Westen haben nur Finnland, Estland und Luxemburg.

Nun aber konkret zu Spanien und Irland: Bis und mit 2007 zählten beide zu den Musterschülern Europas. Sowohl punkto Staatsverschuldung wie auch punkto Haushaltsbudget haben sie die Maastricht-Kriterien stets erfüllt. Und das sogar deutlich: Die Staatsschulden Irlands und Spaniens erreichten 2006/07 ein Tief von 24,7 respektive 36,2 Prozent des BIP.

Was ist geschehen, dass Irland und Spanien mittlerweile zu den PIIGS, den krisengeplagten Peripherieländern der Eurozone, zählen? Ganz einfach: Für beide war die Geldpolitik der EZB in den frühen Jahren der Währungsunion viel zu expansiv, das Zinsniveau war für ihre Wirtschaftsdynamik zu niedrig. In beiden Ländern lösten die tiefen Zinsen einen kolossalen Immobilienboom aus, der sich, angetrieben von einem wildgewordenen Bankensystem, zu einer kreditgetriebenen Spekulationsblase ausweitete.

Dieser Bauboom feuerte in den Jahren bis und mit 2007 das Wirtschaftswachstum zusätzlich an, was die Einkommen der Bevölkerung steigen liess, was die Banken in ihrer Kreditvergabe noch freimütiger werden liess, was wiederum die Immobilienblase noch mehr aufblähte. Ein perfekter positiver Feedback-Mechanismus.

Dann, 2008, platzte die Blase. Der Rest ist Geschichte.

Die Wucht des Kollapses sandte beide Länder in eine Depression, und seither wandert der private Schuldenberg, der sich in den Boomjahren in Spanien und Irland angehäuft hatte, nach und nach auf die öffentliche Bilanz des Staates. Sehr schön ist in obenstehender Grafik zu sehen, wie die Kosten der seriellen Bankenrettung in Irland die Staatsschulden von 24,8 Prozent des BIP im Jahr 2007 auf 92,5 Prozent im Jahr 2010 hochschnellen liessen.

Das hatte überhaupt nichts mit chronischer Defizitpolitik oder öffentlichem Schlendrian zu tun. Der keltische Tiger war mit 200 km/h gegen eine Betonwand geprallt. Etwas verlangsamt, aber im Grundsatz nach dem gleichen Muster, spielte sich die Katastrophe in Spanien ab.

Sowohl Irland wie auch Spanien werden noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, an den Folgen ihrer Immobilienblase zu leiden haben.

Was aber soll das Deutschland angehen? Nun, Deutschland ist heute dort, wo Spanien vor zehn Jahren stand: Die Geldpolitik der EZB ist heute zu expansiv für die deutsche Wirtschaft.

Machen wir also ein kleines Gedankenspiel und gehen dabei von der Annahme aus, dass a) die EZB ihre Niedrigzinspolitik zum Wohle Italiens, Spaniens, Frankreichs und diverser anderer Euro-Länder noch mehrere Jahre fortsetzen wird, und dass b) die Europäische Währungsunion in ihrer heutigen Form bestehen bleibt:

Diese lange Phase niedriger Zinsen könnte in Deutschland einen Immobilienboom auslösen. Nach zwei Jahrzehnten stagnierender Preise ist der Markt reif dafür. In der Tat sind erste Anzeichen dafür bereits zu sehen: Gemäss Daten der Bundesbank sind die Häuserpreise in Deutschland im vergangenen Jahr im Schnitt um 5,5 Prozent gestiegen, was der höchsten Zuwachsrate seit fast zwanzig Jahren entspricht.

Nehmen wir also an, aus dem moderaten Preisanstieg wird im Verlauf der kommenden Jahre ein Boom. Kapital strömt ins Land, die Deutschen nehmen mehr Schulden zu günstigen Zinskonditionen auf, um den Zug nicht zu verpassen und sich ebenfalls eine schicke Wohnung in Berlin oder ein Haus auf dem Land kaufen zu können.

Irgendwann wird aus dem Boom dann eine Manie, eine Spekulationsblase – und weil die Immobilienpreise immer weiter steigen, gewähren die Banken noch freimütiger Kredit. Jeder will dabei sein.

Und die Blase pumpt sich weiter auf, immer weiter.

Die Binnenkonjunktur Deutschlands wird brummen, der Bauboom wird Hunderttausende neue Stellen schaffen, das Land wird sich selbst als Wirtschaftswunder feiern und vor Selbstbewusstsein strotzen. Der deutsche Finanzminister wird davon sprechen, dass die steigenden Immobilienpreise lediglich Ausdruck der Vitalität und Dynamik der deutschen Wirtschaft seien.

Dann, irgendwann, sagen wir im Jahr 2020, wird die deutsche Immobilienblase platzen. Die Banken des Landes – sie haben sich im internationalen Vergleich noch nie mit umsichtiger Geschäftsführung hervorgetan, daher werden sie es auch dieses Mal nicht tun – werden ihre Version des Aufpralls mit hoher Geschwindigkeit erleben. Sie werden mit Staatsgeldern gerettet werden müssen, faul gewordene private Schulden in Höhe von Hunderten Milliarden Euro werden das deutsche Finanzsystem erdrücken.

Und dann wird Deutschland plötzlich dort stehen, wo sich Spanien und Irland heute befinden. Ohne den Hauch einer Chance, die Vorgaben des Fiskalpaktes erfüllen zu können.

Wer, ja wer, wird dann wohl in Europa auf harte Budgetdisziplin pochen und die Fiskalsünder kasteien?

(Quelle: Baseler Zeitung / Foto: (Keystone/Arturo Rodriguez))

1 Kommentar:

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