Die Börse in Frankfurt geht wegen der Griechenland-Krise und der starken Podemos in Spanien erneut in die Knie
Derzeit zeigt sich deutlich, wie instabil die Lage an den Kapitalmärkten weiterhin ist. Der klare Linksruck bei den Kommunal- und Regionalwahlen in Spanien am Sonntag und die großen Erfolge der Empörten-Partei (Wir können es) verschreckt offensichtlich seit Montag die Finanzmärkte.
Der Euro ging in die Knie. Er fiel zum US-Dollar erstmals wieder unter die Marke von 1,10 und steht nun sogar unter 1,09. Die Risikoaufschläge für Staatsanleihen gingen zum Teil deutlich in die Höhe. Und das galt vor allem auch für Griechenland, was auch mit den weiter stockenden Verhandlungen im "Endgame" um die baldige Griechenland-Pleite zu tun hat.
Die Börse rutschte auch am frühen Mittwoch in Frankfurt wieder deutlich ab, doch der Leitindex Dax konnte sich Tagesverlauf wieder leicht ins Plus schieben. Schließlich wirken der zuletzt wieder gefallene Ölpreis und ein schwächerer Euro weiter wie ein großes Konjunkturprogramm. Allerdings gehen in Spanien die Bankenwerte in die Knie, da sich große Veränderungen abzeichnen. Schließlich wird die Schwesterpartei der griechischen Syriza nun in vielen Regionen und Städten eine entscheidende Rolle spielen.
Die Sozialdemokraten (PSOE) in Madrid haben schon der erzkonservativen Volkspartei (PP) eine Absage erteilt. Deren Bürgermeister-Kandidatin hatte gestern der PSOE, die in der Hauptstadt nur auf den dritten Platz kam, das Amt angeboten, wenn die dafür die Kandidatin der linken Bürgerkandidatur "Ahora Madrid" (Jetzt Madrid) blockieren. Dieses Angebot anzunehmen, wäre Selbstmord für eine Partei, die sich vor den Präsidentschaftswahlen im Herbst als Alternative darstellen und sich von der PP-Austeritätspolitik absetzen will.
Diese wurde unter der PSOE in der Krise begonnen und auch in der Opposition von ihr ab 2011 weiter unterstützt. Weil die Absetzbewegungen bisher nicht glaubwürdig waren, verlor die PSOE erneut 750.000 Stimmen gegenüber den schlechten Ergebnissen im Jahr 2011. So dürfte die PSOE auch das globale Bündnisangebot der PP für die Regionalparlamente vor den Parlamentswahlen im Herbst abweisen. Denn die PP will von Podemos geführte oder ihr gestützte Regionalregierungen (deutschen Landesregierungen ähnlich) verhindern.
Der PP-SprecherRafael Hernando erklärte dazu, Podemos und die von ihr unterstützte Bürgerkandidatur in Madrid sei eine "Gefahr", sie wollten in die Zeit der Diktatur zurückkehren. Es erstaunt wirklich, solche Worte ausgerechnet von einer postfaschistischen Partei zu hören, die von Regierungsmitgliedern der Franco-Diktatur gegründet wurde und sich von Putsch und Diktatur nie distanziert hat.
Die Richterin Manuela Carmena, die vermutlich die Hauptstadt mit Ahora Madrid regieren wird, hatte gegen die Diktatur gekämpft und seither von ihrem Posten den Rechtsstaat verteidigt. Deshalb wurde ihr im Wahlkampf auch vorgeworfen, Gefangene der baskischen Separatistenorganisation ETA freigelassen zu haben. Doch dabei hatte sie sich, anders als die rechte Regierung, an geltende Gesetze gehalten. Wegen der nachträglichen illegalen Verlängerung von Strafen wurde Spanien vom Menschenrechtsgerichtshof gerügt. Für viele Richterkollegen bis ins Verfassungsgericht war das illegale Vorgehen der Regierung kein Problem.
Lehnt die PSOE nun den Pakt mit der PP ab, kann sie wenige Regionalparlamente nur noch dann regieren, wenn sie von den rechten Ciudadanos (Bürgern) unterstützt wird. Und es ist klar, dass sich damit auf breiter Front zum Beispiel an der Zwangsräumungspolitik einiges ändern wird, was die Bankbilanzen belasten könnte. Denn die frühere Sprecherin der Bewegung gegen Zwangsräumungen wird zur Bürgermeisterin in Barcelona, weil sie die Wahlen klar gewonnen hat. Auch aus Madrid kündigte Carmena den Kampf gegen die Zwangsräumungen an. Seit Beginn der Krise wurden fast eine halbe Million Familien aus ihren Wohnungen geworfen.
Dass die PSOE auf Podemos schielt und damit vor den Parlamentswahlen im November für Verunsicherung an den Finanzmärkten sorgt, hat auch mit der Lage in der bevölkerungsreichsten Region Andalusien zu tun. Dort hatte die PSOE-Chefin die Wahlen extra auf März vorgezogen, um Podemos im Aufbau kalt zu erwischen. Mit ihrem bisher schlechtesten Ergebnis gewannen zwar die Sozialdemokraten erneut, doch bekommen seither keine Regierung zustande. Niemand will sie unterstützen. Podemos fordert unter anderem, dass dafür nicht mehr mit Banken zusammengearbeitet wird, die Zwangsräumungen durchführen.
Finanzmärkte verunsichert, auch die Frage der katalanischen Unabhängigkeit
Der Wahlausgang in Katalonien und Barcelona als Schwächung der Unabhängigkeitsbewegung bewertet. Das war schon deshalb an den Haaren herbeigezogen, da die radikalen Unabhängigkeitsbefürworter der CUP und der ERC massiv gestärkt aus der Wahl hervorgingen. Und genau mit denen wird die Bürgerkandidatur und deren Kandidatin Ada Colau in Barcelona regieren.
Und Colau hat unmissverständlich klargemacht, dass es in "Barcelona en Comú" (Gemeinsam für Barcelona) zwar keine einheitliche Position zur Unabhängigkeitsfrage gäbe. Aber man setze sich für die Selbstbestimmung und dafür ein, dass die Bevölkerung über entscheidende Fragen entscheiden müsse. Das gelte nicht nur in dieser Frage. "Wir wollen, dass der Hunger und die Korruption zittern, und wir unterstützen eine Abstimmung in Barcelona um zur Stadt der Unabhängigkeit zu werden", erklärte Colau.
Die zukünftige Bürgermeisterin hatte bei der von Spanien verbotenen unverbindlichen Volksbefragung mit "Si" (Ja) und "Si" (Ja) auf die Fragen gestimmt: "Wollen Sie, dass Katalonien ein eigener Staat ist?" Wenn darauf mit Ja geantwortet wurde, musste auch die zweite Frage beantwortet werden. "Wollen Sie, dass dieser Staat unabhängig sein soll?" Trotz des Verbots haben sich 2,3 Millionen Menschen in Katalonien an der Abstimmung beteiligt. 81% haben wie Colau für die Unabhängigkeit gestimmt.
Da Spanien, anders als Großbritannien in Schottland, kein legales Referendum zulässt, wurden für September vorgezogene Neuwahlen angesetzt. In den plebiszitären Wahlen wird über Unabhängigkeit abgestimmt. Die soll im Notfall auch einseitig in 18 Monaten erklärt werden, wenn die Parteien eine Mehrheit erhalten, die damit als zentralen Punkt im Wahlprogramm antreten.
Man darf gespannt sein, wie sich die klare Stärkung von Podemos auf die Verhandlungen mit Griechenland auswirken. Die Ausschläge an den Finanzmärkten dürften auch denen zeigen, die wie Schäuble einen Rauswurf Griechenlands für "beherrschbar" halten und längst einen "Plan B" fordern, dass das ein Spiel mit dem Feuer ist.
Mit den Wahlen in Spanien hat Griechenland vermutlich etwas mehr Spielraum gewonnen. Denn es ist eigentlich schon jetzt klar, dass die Folgen eine Rauswurfs eher unabsehbare Folgen haben wird, wovor viele Experten immer wieder mit zum Teil drastischen Worten gewarnt haben.(Quelle: TELEPOLIS / Ralf Streck 27.05.2015)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen